Menümobile menu

„In Abrahams Schoß“

Von Armin Himmighofen

© GettyImages / NanoStockk

Nach vier Jahren sind die Erinnerungen und die „Kopfbilder“ vom Sterben meines Mannes erträglicher geworden.  Am schlimmsten war ja der Anfang, als er vom Arzt die Diagnose „Pankreaskarzinom“ bekommen hatte. Das war wie ein Schock. Er selbst konnte über seine Gefühle nicht sprechen. Ich glaube, er hat es gleich wie ein Todesurteil gehört. Sein Schweigen und Dulden hat einige Distanz zwischen uns geschaffen.

Unsere Kinder haben nach Behandlungsmethoden gesucht, um ihm sein Leiden erträglicher zu machen, aber er wollte außer den Therapievorschlägen seines Arztes, nichts dergleichen annehmen. Es tat schrecklich weh, ihn so leiden zu sehen. Man kann ja selbst nichts tun, nur da sein. Aber das war mir sehr wichtig, für ihn da zu sein. Heute kann ich sagen: Es war die schwerste, aber auch die intensivste Zeit, die wir miteinander hatten.

Der Tod kam dann ganz leise

Am Abend vor seinem Tod war er sehr unruhig und wollte sich gar nicht zum Schlafen hinlegen. Ich weiß gar nicht, wie ich es geschafft habe, ihn dann doch ins Bett zu bringen. Der Tod kam dann ganz leise in der Nacht und so fand ich ihn am nächsten Morgen. Entspannt und friedlich lag er da. Wie ein Mensch, der nach einer übergroßen Anstrengung zur Ruhe gekommen ist. Das gab mir ein großes Gefühl der Erleichterung. Ich war froh, dass er zuhause gestorben ist. So konnten Familie und viele Freunde den Tag über Abschied nehmen.

Er war lange mein Mann. Ich habe ihn kennen gelernt, als ich noch zur Schule gegangen bin. Ich bin aus der strengen Obhut meines Vaters in die Obhut meines Mannes gewechselt. Mein Mann war ein sehr fürsorglicher Mensch. Eher still und sehr verantwortungsbewusst. Ich hatte aufgrund meiner Jugend, ein eher lebhaftes und sorgloses Wesen. Wir waren sehr verschieden und ich habe es ihm nicht leicht gemacht, mit der Obhut über mein Leben. Aber wir haben uns, wie man so schön sagt: “zusammengerauft“ und es dann doch richtig gut hingekriegt.

Wie groß seine Fürsorge war, weiß ich erst jetzt, wo ich selbst alle Dinge tun muss, die er immer getan hat. Er war für sich sehr anspruchslos. Die Kinder und ich standen immer an erster Stelle und ich weiß gar nicht, ob ich ihm dafür ausreichend gedankt habe. Noch immer spreche ich mit ihm und frage, wenn ich vor einer Entscheidung stehe, was er wohl sagen würde. 

Ein Abschied aus der Geborgenheit in der Gemeinde in die Geborgenheit Gottes

Ich denke gerne an den Abschiedsgottesdienst und die Beerdigung im Wiesengrab. Es waren ja so viele Menschen in der Kirche und der Pfarrer hat die richtigen Worte gefunden. Das war tröstlich. Denn es hat sich angefühlt, als ob alle von einem Freund Abschied genommen haben. Ein Abschied aus der Geborgenheit in der Gemeinde in die Geborgenheit Gottes. Wir waren für die Trauerfeier in „seiner“ Kirche. Sie war sein zweites Zuhause. Ich kann gar nicht zählen, wie viel Zeit er dort verbracht hat, um sie in Ordnung zu halten.

Ich habe mich von meinen Eltern verabschieden müssen und von manchen guten Freundinnen und Freunden. Trauern gehört ja zum Leben dazu. Die Trauer um meinen Mann hat jedoch meine Fähigkeit zu trauern verändert. Ich fühle intensiver, was es bedeutet, los zu lassen. Aber wenn ich an seinem Grab stehe, habe ich inzwischen ein anderes „Kopfbild“. Ich sehe meinen Liebsten gut aufgehoben, entspannt und befreit von aller Last, wie in Abrahams Schoß.

Zurück zu den persönlichen Geschichten

Diese Seite:Download PDFDrucken

to top