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Gespräch ohne Worte

Begegnung am Sterbebett

Von Raimar Kremer

© GettyImages / KatarzynaBialasiewicz

Es geschah beim Besuch einer Frau, die im Sterben lag. Ihre Augen waren geschlossen. Ihre Hände kreisten unruhig über die Bettdecke. Warum ich es getan habe, weiß ich heute nicht mehr. Ich legte meine rechte Hand auf ihre drauf. Vielleicht wollte ich mich nur bemerkbar machen, vielleicht wollte ich sie auch trösten.

Was dann folgte, hat mich überrascht. Sie zog ihre Hand unter der Meinen heraus und legte sie auf meine oben drauf. Durch diese unscheinbare Bewegung haben wir die Rollen vertauscht. Ich war nun derjenige, der die Last ihrer Hand zu tragen hatte. Sie war die Tröstende. Aber keiner von uns brauchte Trost in dieser
Stunde.

Darum drehte ich meine Hand um und formte mit meiner nach oben gerichteten Handfläche eine Kuhle. Hier lag nun ihre rechte Hand, ruhig und leicht. Was diese Frau brauchte, war kein Trost, der von oben kommt. Die Last, die sie zu tragen hatte, war schwer genug. Sie wollte sich in dieser Stunde fallen lassen und dabei gehalten werden. Vielleicht sich sogar geborgen fühlen. Mehr nicht. Um dann in die Hände Gottes zu fallen.

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So spricht Gott: Ich halte dich bei der Hand und behüte dich.

(Jesaja 42,6)

 

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